AdA Positionspapier zu regionalen Gesundeitsnetzwerken

Pressemitteilung


AdA Positionspapier zu regionalen Gesundeitsnetzwerken

Gesundheitsnetzwerke als regionale Versorgungskoordinatoren

Die Gesundheitsversorgung ist eine der wesentlichen Aufgaben in einem Sozialstaat. In Deutschland werden notwendige Regelungen in Sozialgesetzen erlassen. Eine der tragenden Säulen dieser Regulierungen ist das Prinzip der Selbstverwaltung der beteiligten Akteure.

Um die Zusammenarbeit vor Ort zu optimieren, gründen sich seit mehr als zwanzig Jahren freiwillig regionale Arzt- und Gesundheitsnetzwerke und etablieren sich in den regionalen Versorgungsstrukturen. Diese sogenannten Praxisnetze sind durch den §87b SGB-V und der zugehörigen Rahmenrichtlinie der Selbstverwaltungsorgane akkreditiert.

Medizinische Versorgung findet zum überwiegenden Anteil ambulant durch niedergelassene Haus- und Fachärzte statt. Sektoren verbindende Konzepte müssen dem Rechnung tragen und auch vom zahlenmäßig überwiegenden Behandlungsaufkommen aus aufgebaut werden. Praxisnetze überwinden die bislang getrennten Verantwortungsbereichen ambulant / stationär / pflegerisch dadurch, dass sie sich entweder auf Kooperationsebene oder auf Gesellschafterebene öffnen und somit zu interdisziplinären und interprofessionellen Gesundheitsnetzwerken werden.


Wir als ADA – Bundesverband der Arzt-, Praxis-, und Gesundheitsnetzwerke bündeln die regionalen Ansätze und stellen nachfolgende Eckpunkte zur „Weiterentwicklung der regionalen Versorgungskoordination“ auf.

  • Gesundheitsversorgung ist regional

Die Gesundheitsversorgung in Großstädten, Mittelzentren und ländlichen Regionen ist völlig unterschiedlich. Bundesweite Ansätze und Regelungen behindern und beschränken den Gestaltungsspielraum regionaler morbiditätsorientierter Gesundheitsversorgung, insbesondere durch die derzeitige, sektorale Finanzierung sowie die gesetzlichen Regelungen, die ebenfalls entlang dieser Sektorengrenzen verlaufen (ärztlich/medizinisch SGB V, pflegerisch SGB XI, SGB X Rente, SGB-XII Sozialhilfe, arbeits- und steuerrechtliche Hürden). Zudem unterscheiden sich die Strukturen und Umsetzung von Bundesland zu Bundesland. Kurz:

Die Gesundheitsversorgung getrennt nach Sektoren in föderal unterschiedlichen Verantwortungsbereichen strukturiert.

In allen Bereichen bilden sich zudem zunehmend größere, gewinnmaximierende Trägerstrukturen, auch um wirtschaftliche Interessen der Anteilseigner zu befrieden.

Eine Abstimmung oder gar Zusammenarbeit dieser Leistungserbringer ist auf Grund der klaren Sektorentrennung der Finanzierung und der heterogenen Lenkungsstrukturen strukturell und inhaltlich sehr erschwert und es fehlen finanzielle Anreizsysteme zur Kooperation und Koordination der Zusammenarbeit.

Forderungen der AdA
  • Ziel der regionalen Gesundheitsentwicklung und des Versorgungsangebots muss es sein
    • Gesundheitskompetenz, Gesundheitsförderung und Selbstmanagement in der Bevölkerung zu fördern,
    • Unterversorgung zu beseitigen,
    • Fehl- und Überversorgung transparent zu machen und abzubauen,
    • Versorgungslücken zu erkennen und zu beseitigen sowie
    • regional notwendige Versorgungsbesonderheiten zu gestalten.
  • Regionale Verantwortungsträger von Gesundheitsregionen müssen Finanzmittel erhalten, mit denen regional Gesundheitsversorgung gestaltet werden kann.
  • Hierzu muss eine rechtliche Basis durch den Gesetzgeber sowohl zur Finanzierung als auch zur eigentlichen Leistungserbringung sowie Leistungssteuerung geschaffen werden.
    • Die aktuellen Gestaltungsfreiräume bei der Vertragsgestaltung sind unzureichend. Insbesondere die Regelungen des §140 SGB-V sind hierzu nicht geeignet: ohne Kontrahierungsverpflichtung der GKV sind sie aktuell ein rein wettbewerbliches Instrument. Zudem sind die Prüfmechanismen des BAS zu restriktiv und wirken abschreckend auf die Kostenträger.
    • Für koordinierte Leistungserbringung müssen haftungsrechtliche Limitationen ebenso überwunden werden, wie Vorgaben seitens der Regelversorgung (Ärzteschaft: Substitution, Delegation; KV-Umfeld: ärztliche, persönliche Leistungserbringung).
    • Die Qualität der Versorgung muss stärker in den Fokus gelangen, qualitätsmindernde Fehlanreize zur Quantität müssen beseitigt werden. Dies muss in den Mittelzuteilungen aus dem Morbi-RSA Berücksichtigung finden, damit sich Krankenkassen auch langfristig zu einer besseren Versorgungsqualität bekennen. Hierzu wäre eine Anpassung und Berücksichtigung des Morbi-RSA Klassifikationsmodells notwendig. Bereits etablierte Kennzahlensysteme aus Routinedaten wie z.B. QuATRo oder Bravo könnten als Ansätze dienen.

  • Gesundheitsversorgung ist bedarfsorientiert

Die Morbiditätslast ist in den Regionen ebenso unterschiedlich, wie die vorhandene Leistungserbringung sowie die Verteilung der Kostenträger. Es finden sich unterschiedliche Lebenserwartungen bedingt durch die jeweiligen regionalen und sozio-ökonomischen und kulturellen Bedingungen der Bevölkerung. Diese soziale Diskriminierung muss überwunden werden. Aktuell gibt es keine Strukturen, Morbidität regional wirksam zu diskutieren und daraus regionale, verbindliche Versorgungsansätze zu entwickeln.

Forderungen der AdA
  • Analyse der regionalen Morbidität durch eine hoheitliche Struktur, die versicherungsübergreifend Zugriff auf Versorgungsdaten der Bevölkerung hat. Aufgabe dieser Struktur ist es, regionale Morbiditätslasten zu identifizieren.
  • Die regionalen (sozio-ökonomischen) Morbiditätslasten sollten mit den regionalen Leistungserbringern bzw. deren Zusammenschlüsse, den regionalen Kostenträgern und den politisch Verantwortlichen vor Ort diskutiert und Lösungsvorschläge erarbeitet werden (evtl. in „regionalen Morbiditätskonferenzen“). Lösungsansätze sollten dann über Gesundheitsnetze bzw. Managementstrukturen umgesetzt werden, wobei auch die entsprechenden Finanzmittel bereitstehen müssen.
  • Regionale, bedarfsorientierte Versorgungsangebote müssen allen Bewohnern der Region zur Verfügung stehen, unabhängig vom individuellen Kostenträger (Kontrahierungszwang bei regionalen Lösungen). Auf Leistungserbringerseite können hingegen zusätzliche Struktur- und Qualitätsanforderungen zur Teilnahme notwendig sein.

  • Gesundheitsversorgung entwickelt regionale Gegebenheiten und Strukturen weiter

Da die Versorgung regional sehr unterschiedlich ist, haben sich auch unterschiedliche Lösungsansätze für die Versorgung vor Ort gebildet. Beispielhaft seien hier Gesundheitskioske, Care- und Casemanagement (oder weitere Lotsenansätze), Community Health Nurses oder Regionale Gesundheitszentren im Sinne von einem Quartiersmanagement und der Bündelung von Angeboten „rund um das Thema Gesundheit“ genannt. Bestehende Gesundheitsnetzwerke agieren hier oftmals als Treiber und Innovatoren.

Die nach §87b akkreditierten Praxisnetze können sich durch die Einbindung weiterer regionaler Leistungserbringer als Kooperationspartner oder Gesellschafter und durch die Übernahme von Versorgungsverantwortung in der Region zu Gesundheitsnetzwerken weiterentwickeln. Allerdings ist der Grundansatz der vorhandenen Regelungen des §87b weiterhin eingebettet in die bisherige, sektorengetrennte Sichtweise mit Organisationshoheit aber auch exklusiver Förderung durch die Länder-KVen.


Forderungen der AdA
  • Weiterentwicklung der Anerkennungs- und Förderungskriterien nach §87b: wir stellen fest, dass die Umsetzung des §87b nicht bundeseinheitlich stattfindet. Es gibt Bundesländer, in denen sich viele Praxisnetze entwickeln
  • , während sich in anderen Ländern kaum eine Weiterentwicklung zeigt. Wir führen dies auf Umsetzungs- und Förderungsunterschiede durch die Länder-KVen zurück. Unser Ziel ist es, dass sich flächendeckend Praxisnetze etablieren und somit flächendeckend Keimzellen für Gesundheitsnetzwerke bilden können.
    • Förderung ab der ersten Minute: bislang müssen Praxisnetze mindestens drei Jahre bestehen, um eine Anerkennung nach §87b zu erhalten. Eine Förderung für einen befristeten Zeitraum muss künftig zeitnah nach Gründung möglich sein, sofern die Strukturvoraussetzungen nach §87b gegeben und eine Weiterentwicklung zur Stufe 1 absehbar erscheint. Die Anerkennungsrichtlinien für die Basisstufe sind so zu überarbeiten, dass darin keine zeitdauerabhängigen Forderungen enthalten sind.
    • Finanzierung der Anforderungen: sowohl in der Basisstufe, als auch in den Stufen I und II werden seitens der KBV und dem GKV-Spitzenverband Anforderungen an das Praxisnetz gestellt. Die finanzielle Förderung ist bundeseinheitlich zu so bemessen, dass die bundeseinheitlichen Anforderungen an die jeweilige Netzstruktur auch finanziert werden können. Gehen einzelne KVen über diese Mindestanforderungen hinaus, so sind auch die Aufwendungen für die Zusatzanforderungen sicherzustellen.
  • Ergänzung/Weiterentwicklung des §87b SGB-V für spezielle Anforderungen an Gesundheitsnetzwerke: während Praxisnetze nach 387b SGB-V auf die ambulante, vertragsärztliche Versorgung fokussiert sind, sollen Gesundheitsnetzwerke sowohl weitere Leistungssektoren der Versorgung einbinden, aber auch um Ansätze von regionaler Gesundheitsförderung hinsichtlich Prävention und Selbstverantwortung ergänzt werden.
    • Um den speziellen Anforderungen Rechnung zu tragen, werden sich die Anerkennungs-, Förderungs- und Finanzierungsvorgaben regionale Gesundheitsnetze von bisherigen Praxisnetzen nach §87b unterscheiden müssen.
    • Bedingt durch den sektorübergreifenden Ansatz ist eine Finanzierung rein durch die KVen nicht zielführend. Stattdessen sollte die Finanzierung durch KVen, Kostenträgern und Steuermittel erbracht werden.
    • Öffnung der Akkreditierungsträger: neben dem bisherigen Anerkennungsverfahren nach §87b durch die KVen sind künftig weitere Organisationen denkbar. Unser Dachverband steht hierfür zur Verfügung und geht mit einem Peer-Review-Verfahren unter den Netzwerken sogar über die reine Dokumentenprüfung der KVen hinaus.
  • Vorhandenes Weiterentwickeln: in Regionen, in denen sich bereits nach §87b SGB-V anerkannte Gesundheitsnetzwerke gebildet haben, sollten diese im Sinne von kooperativen, koordinativen, sektorübergreifende Strukturen weiterentwickelt werden. In Regionen, in denen kein Gesundheitsnetzwerk nach §87b anerkannt ist, sollten zunächst vorhandene, vergleichbare Strukturen identifiziert und dazu eingeladen werden, sich zu sektorübergreifenden kooperativen Management-Strukturen weiterzuentwickeln.
 
Wer ist die AdA – Bundesverband der Arzt-, Praxis- und Gesundheitsnetzwerke?

Die AdA ist ein rein aus Mitgliedsbeiträgen finanzierter, ehrenamtlich geführter Verein, der von regionalen Arzt-, Praxis- und Gesundheitsnetzen getragen wird. Unsere Mitglieder legen Wert darauf, frei von Interessen Dritter zu sein. Gleichzeitig sind wir als Spitzenverband Ansprechpartner für Politik und Krankenkassen auf Bundesebene und bilden somit das notwendige Bindeglied zwischen den Regionen. Wir arbeiten in folgenden Gremien zusammen

  • Fünfköpfiger Vorstand mit wöchentlichen Vorstandstreffen
  • Monatliche Mitgliederversammlungen zum Austausch untereinander
  • Ressortarbeit
    • Digitalisierung: Austausch zu Digitalisierungslösungen in Gesundheitsnetzen
    • MVZ und Leistungserbringung: Unterstützung von nach §87b akkreditierten Netzwerken, die ein MVZ gründen und betreiben wollen, Entwicklung und Förderung weiterer Möglichkeiten für Netze als Leistungserbringer Versorgung zu gestalten
    • Interprofessionalität: Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Berufsgruppen: Pflege, Psychotherapeut*innen, MFA, PA, Care- und Casemanager*innen, Community Health Nurses, Physiotherapeuten*innen, Ergotherapeuten*innen, Sozialarbeiter- und pädagog*innen, Quereinsteiger*innen u.a. Berufsgruppen
  • Konferenzen:
    • jährlicher Netzwerktag gemeinsam mit der KBV
    • Mitgliederkonferenzen mit Workshops der Ressorts
 
Was bietet die AdA – Bundesverband der Arzt-, Praxis- und Gesundheitsnetzwerke?
  • Unterstützung bei der Gründung und Weiterentwicklung von Gesundheitsnetzwerken
  • Wissenstransfer und Austausch von erfolgreichen Projekten zwischen den Regionen
  • Ansprechpartner für Politik und Krankenkassen für regionale Arztnetzwerke
  • Beratung durch erfahrene Gesundheitsnetzwerker für Kommunen im Zusammenhang mit Gründung, Aufbau und Verbesserung von Gesundheitsnetzwerken
  • Durchführen eines Peer-Review-Verfahrens zur Weiterentwicklung der Struktur von Geschäftsstellen von Gesundheitsnetzwerken
  • Denkbar: Akkreditierung von Gesundheitsnetzwerken nach §87b
  • Vermittlung von Partnern für Studien und innovative Projekte


Beispiele für gelungene, regional umgesetzte Versorgungsverbesserungen der AdA-Netze
  • Versorgungsverträge mit Vorbildcharakter
    • Vollversorgungsvertrag der AOK-Bayern in Verbindung mit QuATro-Qualitätszielen
    • Pflegeheimvertrag in WL
    • BARMER Vertrag mit Qualitätszielen
    • Palliativvertrag in WL
  • Identifizierung von Versorgungsbedarf / Qualität
    • QuATro Projekt des AOK-Bundesverbandes
  • Versorgungsverbesserung
    • ARENA – Innovationsfondsprojekt
    • RUBIN – Innovationsfondsprojekt
    • Innovationsfondsprojekte
    • WOGE-Praxis
    • Heimarztmodell in Lingen
  • Strukturverbesserungen / Fachkräftemangel
    • „MFA“ Quereinsteigerschulungen
    • Azubi+ Programm, Worms
  • Interdisziplinäre Zusammenarbeit
    • Ärztinnen und Ärzte unterschiedlicher Fachgebiete (Fokus Hausarzt / Facharzt)
    • Pflegemanagement / elektronischer Pflegebericht (ePB)
    • Casemanagement
    • Digitale Gesundheitsplattform OWL

Etc….

Ansprechpartner

Geschäftsstelle           Daniela Hoxhold         Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Vorstand                    

Dr. Thomas Koch        Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Annette Hempen         Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Sebastian Klein           Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Mark Kuypers             Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Constanze Liebe         Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

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