Wahlprogramm der SPD: Niedergelassene auf der Roten Liste?

Pressemitteilung AdA


Dabei sind doch die Praxen nierdergelassener Ärztinnen und Ärzte die eigentlichen Garanten einer flächendeckenden Versorgung, nachdem die letzten Kliniken in der Peripherie wegen unzureichender Renditeerwartung und wirtschaftlich unerfüllbarer Anforderungen an Strukturqualität geschossen sein werden. Eine sinnvolle Öffnung der  Kliniken für die ambulante Versorgung findet seit langem bereits statt, über bedarfsgerechte Ermächtigungen und MVZ in Trägerschaft von Kliniken. Eine generelle Öffnung bedeutet aber einen Verdrängungswettbewerb gegen niedergelassene Ärztinnen und Ärzte mit langfristigen negativen Folgen für die flächendeckende medizinische Versorgung. Eine solche Entwicklung wäre ein Rückschritt auf dem Weg zu einer integrativen, kooperativen medizinischen Versorgung, der die tatsächlichen Versorgungsverhätlnisse und Erfordernisse krass ignoriert.

Die medizinische Versorgung der Zukunft erdordert vielmehr die Bildung von Versorgungsnetzwerken aus regionalen Arztpraxen, Kliniken sowie ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen in Absprache mit Kommunen, Kreisen (insbesondere dem Öffentlichen Gesundheitsdienst und den Pflegestützpunkten und Landesministerien sowiemit den Kostenträgern.

Eine Keimzelle solcher Netzwerke sind die bundesweitaus Eigeninitiative und oft mit Unterstützung der KVen entstandenen Arzt- und Praxisnetze (im Wahlprogramm nicht existent), die vielerorts bereits mit ihren lokalen Kliniken und Pflegeeinrichtungen strukturiert kooperieren. „ Das Gesundheitssystem der Zukunft sollte ein filigranes, digital optimiertes, effizientes Netzwerk und kein Haifischbecken sein“, fordert Schang. Niedergelassene betreuen bereits unrentable Klinikabteilungen oder befürworten Ermächtigungen bei Versorgungslücken. Oder Sie helfen bei der Umwandlung peripherer, nicht zukunftsfähiger Kliniken in ambulante Versorgungszentren. Niedergelassene verständigen sich mit Kommunen zur Gründung kommunaler Versorgungszentren oder stellen die ärztliche Versorgung von Pflegeheimen sicher. Ärztenetze versorgen Patienten zu Hause auch mit eigenen Case- und Care Manager*innen oder kooperieren in der spezialisierten Palliativversorgung. Die Welt der regionalen Gesundheitsversorgung hat jetzt schon mehr als nur eine Farbe. Diese innovativen Entwicklungen gilt es zu unterstützen. (Nichts davon findet sich im Programm der SPD.)

Dazu ist in der Tat ein grundsätzliches, qualitatives Überdenken der Vergütungssysteme ambulant und stationär erforderlich (nicht nur der Fallpauschalen). Eine kooperative, integrierte Versorgung braucht ein kooperatives, integratives Vergütungssystem. Schrankenloser Wettbewerb um Leistungsmengen und Umsatzanteile wirkt hier kontraproduktiv zum Nachteil von Patienten, wie wir es derzeit real erleben. Stattdessen brauchen wir Wettbewerb um eine qualitativ hochstehende regionale Versorgung. Gute Versorgungsleistungen in einer Region, insbesondere auch gute Leistungen in der Prävention (der SPD offenbar wichtig) erfordern eine vertrauensvolle, effiziente Kooperation aller regionalen Leistungserbringer aus allen Sektoren. „Die Ärzte-/Praxisnetze in Deutschland wissen das“, konstatiert Schang.


Dr. med. habil. Thomas Schang für den Vorstand der Agentur deutscher Arztnetze e.V.
(Bundesverband der Arzt- und Praxisnetze)